Eiserne Lady........Ein Harley-Davidson-Motorrad,
so lehrt uns die Geschichte seit großväterlicher Zeit, besteht überwiegend aus
jenem berühmt-berüchtigten Saurier von Motor, der mit selbstgefälliger Ignoranz
jeglichen technischen Fortschritt der Moderne ablehnt - und eine völlig eigenständige
Biker-Kultur schuf. Einmalig auch, wie sich Anhänger und Gegner des amerikanischen
Kolosses in zwei völlig konträre Lager spalten: Eine Harley liebt man, oder man
haßt sie. Sie zählt also zu jener Sorte von Ladys, in die man sich entweder auf
Anhieb verknallt, oder die man vors Schienbein tritt. Die lauwarme Zweckverbindung
läuft nicht, ein verschämtes Mondscheingeplänkel auch nicht. Denn wo sie auftritt,
bebt die Erde und es hämmert der Sound. Sie riecht nach Abenteuer und lockt mit
Freiheit. Sie wirkt wie eine Ampulle purer Faszination, direkt in die Blutbahn
injiziert, macht süchtig, lässt einem nicht mehr los. Das
Ungetüm aus Milwaukee ist etwas für Männer. Diese Lady spricht
oder vielmehr hämmert ungehemmt, fast schon obszön in die Ohren des Fahrers derart
überzeugend, für sich selbst, dass Konkurrenten sich daneben wie laues Gesäuselt
anhören würden. Sie ist ein verwegene Lady und immer eine Sünde wert. - Nachname:
Harley Davidson, Vorname: FXST, Kosename: Fat Boy. Auftritt: Breit, flach und
gewaltig. Mit dieser eindeutigen Aussage zieht die Fat Boy seit 1990 durch die
Lande. Schon der überdimensionierte Frontscheinwerfer, Durchmesser 18 Zentimeter,
weist den Betrachter auf die Ausmaße des Monumental-Cruisers hin. Von der verkleideten
Gabel über die Scheibenräder bis zu den Trittbrettern - die FXST ist einfach fett
und wirkt in jeder Hinsicht wie aus dem Vollen geschnitzt. Ein Monument aus Stahl
und Chrom. Der Mythos Harley besteht unter anderem aus mächtigem Hubraum, verteilt
auf zwei Zylinder in V-Form, einem schüttelnden Motorlauf und einem sonorem Sound.
108 Millimeter Hub, 1340 Kubikzentimeter Hubraum, 41kW. Sie sind wichtig und Nebensache
zugleich. Denn der entscheidende Eindruck der Fat Boy ist das Feeling: Das Fahren
geht einfach durch den Bauch. Nicht nur, weil alles ständig vibriert, sondern
weil nur eine Harley soviel Feeling aufkommen läßt. Tempo, Fahrdynamik, Qualität
von Federung oder Bremsen - das sind weitgehend uninteressante Punkte. Mit der
Fat Boy ist der Weg das Ziel und die Erkenntnis reift, dass man Zeit nur gewinnen
kann wenn man sie sich nimmt. Nicht wenn man ihr nachläuft. Die Fortbewegung unter
freiem Himmel wird zu einem Akt sinnlich erlebbarer Befreiung von Streß und Alltagszwängen.
Sie läßt sich nicht nur atmosphärisch - am schönsten mit Tempo 60 bis 90 bei einer
theoretischen Höchstgeschwindigkeit von 153 km/h -, sondern sogar recht komfortabel
zurücklegen, denn Sitzposition, Federung und Dämpfung sind in Ordnung. Die Ausstattung
mit Zahnriemenantrieb, Schaltwippe, automatischer Blinkerrückstellung, Warnblinkanlage
und hervorragend positionierten Spiegeln ist vollständig. Drehzahlmesser gibt
es keinen, doch man vermißt ihn nicht - schließlich fährt man nicht nur des Gefühls
wegen, man schaltet auch nach Gefühl. Zu fahren ist die verwegene Komposition
aus High-Tech und Nostalgie nicht nur leicht und ohne Heimtücke, es kommt sogar
Kurvenspaß auf.